A little too ironic
Eine Crackpot-Kritik
Es gehört zu den Binsenweisheiten der Moderne, daß Ironie und das Internet nicht recht zueinander passen. Das Phänomen der prinzipiellen Inkompatibilität zwischen weltweitem Netz und humoriger Verstellung ist soweit bekannt und hinreichend belegt, daß es einen eigenen Abschnitt im deutschen Wikipedia-Artikel erhalten hat: Ironie im Internet. (Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß in der englischen Wikipedia zwar alles Mögliche stehen bleiben darf, in der deutschen Wikipedia jedoch nur Relevantes.)Selbst ohne die Wechselwirkung mit dem Netz ist Ironie noch ein kompliziertes Geschäft, so daß allzu verworrene Spielchen mit ihr nicht angeraten sind.
Der Youtube-Newcomer Knuut Kerbel hat es dennoch probiert: Er spielt in Es gibt keine Streifen am Himmel! (Chemtrails & Verschwörungstheorie) einen Chemtrail-Gläubigen, der sich unbeholfen der Ironie bedient, um seine Argumente zu verdeutlichen.
In seinem, immerhin angenehm kompakten Werk von fast genau drei Minuten Länge, erzählt uns der Künstler wiederholt, es gäbe keine Chemtrails und wer anderer Meinung sei, der sei "high", ein "Drogenopfer" oder unterernährt. Dabei schwenkt die Kamera immer wieder auf das Fenster und zeigt einen Himmel voller Kondensstreifen. Zwischendurch pustet der vorgebliche ironische Chemtrail-Gläubige immer wieder Rauch in die Kamera - ein für Szene-Kenner reichlich vorhersehbarer Witz.
Ein "Psycho", so erzählt Knuut nun, in seiner Rolle bleibend, habe den Polizeinotruf wegen der Chemtrails angerufen. Leider wird dieser vielversprechende Faden nicht weitergesponnen, die Erzählung endet abrupt. Gerade hier wird viel Potential verschenkt!
Ton- und Bildqualität sind gut. Durch den Qualm und den sehr dicht vor der Kamera sitzenden, berlinernden Künstler wird eine gute und realistisch anmutende Atmosphäre geschaffen. Auch an die Details wurde gedacht: Der folgende, kurze Schlagabtausch in den Youtube-Kommentaren ist einfach zu schön, um echt zu sein:
[user 1] der junge sagt die wahrheit.er hat wenigstens eier in der hose.
schon traurig wie blind die menschheit ist..ach ja, wir leben ja auch in einem rechtsstaat wo demokratie herscht ne. das ich nicht lache.
vielleicht hättet ihr euch GG artikel 20 absatz 4 mal auf die stirn tackern sollen. das ihr noch was mitkriegt.
mahatma gandhi: wenn ihr eure augen nicht zum sehen braucht ,dann werdet ihr sie zum weinen brauchen.
Antwort: [user 2] das Zitat ist nicht von Gandhi sondern von Satre!Dennoch ist das Konzept, einen sich verstellenden Chemtrailisten zu spielen, durch die dabei gewissermaßen doppelte Ironie, noch zu schwer für den Künstler. Gut daher, daß er das Experiment nach den besagten drei Minuten bereits beendet. Bleibt zu hoffen, daß sich Knuut für die Zukunft nicht entmutigen läßt, sondern sich vielleicht zunächst an einem Pudding statt direkt an einem Soufflé versucht.
Und nur um sicherzugehen, daß alle Tags geschlossen sind: </ironie>[/ironie]
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